Test: Honda CRF 1100 L Adventure Sports

Verkehrte Welt

image Fotos: Motorradtest.de

Klare Sache: Die Honda Africa Twin ist ein echtes Erfolgsmodell. Das ausgesprochen geländegängige Bike gilt als die ideale Begleiterin für die alljährliche Weltreise. Auch bei uns hinterließ das Normalmodell einen guten Eindruck. Kann die mächtig aufgepimpte Version "Adventure Sports" da noch besser sein?

Mehr von allem

Es ist doch jedes Jahr das Gleiche: Kurz vor der alljährlichen Weltreise schweift der Blick durch die Garage und über die darin enthaltenen Weltenbummler-Bikes der vergangenen Jahrzehnte. Ganz hinten lugt die Yamaha XT 500 hervor, gleich nach dem Abi sind wir damit ab nach Goa in Indien. Vorn steht die Honda Africa Twin. Zwar mit 130.000 Kilometern so gut wie neu, aber über eine Neuanschaffung könnte man durchaus nachdenken. Und, ganz ehrlich? Ein wenig mehr Komfort wäre doch ganz nett.

Natürlich wählen wir wieder das Kultbike von Honda, diesmal jedoch in der Version Adventure Sports. Gegenüber der normalen Africa Twin bekommen wir den größeren Tank (24,8 statt 18,8 Liter), ferner Schlauchlos-Reifen, das größere Windschild, den Gepäckträger, und wir dürfen auch weitere 1.800 Euro für das elektronische Fahrwerk ausgeben, dies bleibt der Sports vorbehalten.

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Elektronik? Alles da

Der Blick fällt sofort auf das große und zweigeteilte Display sowie die Massen an Bedienungsknöpfchen. Schnell macht sich die Erkenntnis breit, dass Aufsitzen und Losfahren eher nichts wird. Ein IT-Studium ist zwar nicht erforderlich, aber ein längerer Blick in die Bedienungsanleitung auf jeden Fall. Doch, soviel vorab, wirklich leicht und eingängig ist die Bedienung dann immer noch nicht. Im zweigeteilten Display wird unten immer die Geschwindigkeit dargestellt, weil oben eventuell Apple Carplay läuft. Ob Navi oder Musik, ob Telefon abnehmen über Knöpfe oder den Touchscreen, hier ist alles möglich. Die Kehrseite der Medaille: rechts gibt es den Funktionsknopf und Tempomat. Links droht die Überlastung des Gehirns: Nicht weniger als achtzehn Knöpfe inklusive der Schaltwippe für das DCT gilt es hier zielsicher zu bedienen. Mit zunehmender Gewöhnung klappt das immer besser, aber richtig gut wird es nie. Und: Übt das bloß tagsüber, die Knöpfe sind nicht beleuchtet.

Unser Testbike hat auch das DCT-Getriebe installiert, dazu später mehr. Das bringt neben 1.100 Euro weniger in der Kasse 12 Kilo Mehrgewicht. Überhaupt: Die aktuelle Adfrica Twin ist ein sehr großes Motorrad. Insgesamt und mit all den Extras bringt sie 240 Kilo auf die Waage, was man im Gelände erst mal beherrschen muss. Der lange 1,57 Meter-Radstand sorgt andererseits für einen wirklich guten Soziuskomfort. Auch der Fahrer ist sehr gut untergebracht, die Sitzbank ist vorn etwas schmaler. Honda bietet verschiedenen Sitzhöhen an, 825 bis 895 Millimeter, was zu den meisten Menschen passen dürfte. Übrigens: Wer überall ein Kreuzchen macht und sich das Kofferset gönnt, knackt die 20.000-Euro-Marke. Das bringt diese AT-Version in direkte Konkurrenz zur BMW 1250 GS.

Denn mal los.

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Nur mit Bedienungsanleitung

Aufsteigen und Abbocken ist eines, wobei Abbocken hier das Einklappen des Seitenständers meint. Einen Hauptständer gibt es serienmäßig nicht. Die Bedienungsanleitung haben wir gelesen und sind einigermaßen vorbereitet. Das Display als solches ist gut, es lässt sich auch bei Sonne oder mit einer Staubschicht einwandfrei ablesen. Das elektronische Fahrwerk überzeugt sofort. Es hat einige Gimmicks zu bieten, aber vor allem eine sofortige Anpassung an die Fahrumstände. Springt man beispielsweise über einen Hügel, strafft es sich im Flug. So wird ein Durchschlagen bei der Landung vermieden. Das EERA von Showa (Showa Electronically Equipped Ride Adjustment) kostet 1.600 Euro und passt die Dämpferrate in 15 Millisekunden an. Es macht das Motorrad in Notsituationen stabiler, weil es die Maschine strafft, erzeugt im Normalfall ein Schweben, ist aber nicht entrückt.

Denn auch wenn die AT ein ganz schöner Brocken ist: Allein das 21 Zoll große Vorderrad unterstreicht den Enduro-Anspruch. Und, was soll man sagen, Gelände kann die Adventure Sports einfach.

Das DCT-Getriebe (Doppelkupplungsgetriebe) ist technisch gesehen keine Automatik, lässt sich aber so betreiben. Die Honda findet zielsicher den richtigen Gang, verschiedene Modi lassen sich hier einstellen. Wer das nicht mag, kann jederzeit über die Schaltwippen eingreifen, bekommt allerdings auch dann kaum Motorbremse. Insgesamt ist dies ein Extra, dessen Anschaffung man sich gut überlegen sollte. 12 Kilo mehr sind eine Ansage, zudem verkompliziert es die Sache weiter. Beim berühmten afrikanischen Dorfschmied, soviel ist sicher, kann man die Sports nicht reparieren. Richtig gut und hilfreich ist das DCT da, wo man es nicht unbedingt vermutet hätte: in der Stadt. Wer sonst beim Rangieren und Einparken mit Kupplung und Gas jonglieren musste, gibt nun einfach vorsichtig Gas.

Der Motor ist mit 102 PS kein Leistungswunder, zieht sich aber mehr als achtsam aus der Affäre. Wieder einmal zeigt sich, dass rund 100 PS immer reichen, auch auf der Langstrecke. Der Twin ist jedoch ein Kurzhuber, braucht also Drehzahl. Übrigens: Honda vertraut auf einen Kettenantrieb, wo andere bei Reisemaschinen einen Kardan verbauen.

Klasse ist der Komfort, hier zeigt sich das elektronische Fahrwerk von seiner besten Seite. Die AT bringt ihren Piloten in eine sehr aufrechte Sitzposition. Das erhöht die Übersichtlichkeit auch im Stehen im Gelände, erfordert aber einen guten Windschutz für längere Speed-Etappen. Was für ein Glück: Auch der Schutz durch das vielfach verstellbare Windschild ist gut.

Sportlicher als die Sport

Was also ist die Honda CRF 1100 L Adventure Sports? Sie ist die Weiterentwicklung der normalen Variante. Aber ist weiter besser? Was den Komfort und die technische Ausstattung angeht, in jedem Fall. Ob sie wirklich die bessere Variante zum Weltenbummeln ist, mag bezweifelt werden: Die AT macht einen rundum erwachsenen und ausgereiften Eindruck. Trotzdem verkomplizieren alle diese Helferlein das Motorrad, was Bedienung, Wartung und Reparatur angeht.

Insgesamt ergibt sich ein überraschendes Bild: Was Honda mit dem Beinahmen Adventure Sports anbietet, ist für das rauhe Abenteuer weniger geeignet und unsportlicher als die Variante ohne Sports. Verkehrte Welt also. Ein gutes Motorrad aber, das ist sie auf jeden Fall.

Das Testbike wurde uns von Motofun in Kaltenkirchen zur Verfügung gestellt.

Preise im Überblick:

  • CRF 1100 Africa Twin: 14.165 Euro
  • CRF 1100 Africa Twin DCT: 15.265 Euro
  • CRF 1100 Africa Twin Adventure Sports: 16.280 Euro
  • CRF 1100 Africa Twin Adventure Sports DCT: 17.065 Euro
  • CRF 1100 Africa Twin Adventure Sports EERA: 17.565 Euro
  • CRF 1100 Africa Twin Adventure Sports EERA DCT: 18.665 Euro

Preis / Verfügbarkeit / Farben / Baujahre

  • Preis: ab 16.280€
  • Gebraucht (3 Jahre alt): 8.700€
  • Baujahre: neu seit 2019
  • Verfügbarkeit: gut
  • Farben: schwarz, tricolor
Pro & Kontra
Pro:
  • Geländegängigkeit
  • Qualitätsanmutung
  • Komfort
  • Alltagstauglichkeit
  • Display
Kontra:
  • Bedienung
05.2020: Test: Honda CRF 1100 L Adventure Sports
Verkaufszahlen (Deutschland)
Gesamt: 9.258 Mid: 35090
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