Test: KTM 390 Adventure

Das Bike für eine bessere Welt

image Fotos: Motorradtest.de

KTM hat sich aufgemacht und bringt ein kleines Adventure-Bike nach Art des Hauses. Hier ist nicht Motorleistung jenseits der 150 PS angesagt, sondern die große Freiheit für alle A2-Führerscheininhaber. Klappt das in der Praxis?

Klein, aber komplett

Auf den ersten Blick scheint alles klar: Unverkennbar KTM, weil Design, unverkennbar A2, weil klein. Aber damit nähern wir uns schon dem ersten Rätsel dieser an Rätseln nicht eben armen Maschine. Preisfrage: Warum sind A2-Bikes meistens kleiner als Motorräder mit größerem Motor? An der Optik kann es nicht liegen, an der Technik - wenn überhaupt - nur sehr wenig: Den Einzylinder, den unsere KTM 390 im Rahmen trägt, könnte man auf 800 Kubik aufbohren. Sicher wäre dann alles etwas stabiler und großzügiger ausgelegt, aber nicht um so viel, wie das Bike jetzt kleiner ist. Die letzte Möglichkeit wäre, dass menschliche Inhaber des A2-Führerscheins kleiner als der Rest der Bevölkerung sind. Auch wenn aussagekräftige Studien hierzu fehlen – das ist doch eher unwahrscheinlich.

Virtueller Rundgang um die Maschine

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Rätsel ohne Ende

Rätsel Nummer zwei ist einfacher zu lösen: Kann ein Motorrad mit nur 44 PS als Adventure-Bike, mithin als veritable Reisemaschine durchgehen? Antwort: ja. Natürlich, wieso denn nicht? Ist Reisen mit unter 100 PS plötzlich verboten oder langweilig? Nein. Unsere Vorfahren selig sind mit ihrer Yamaha XT 500 und schütteren 27 PS bis ans Ende der bekannten Welt und noch weiter gesegelt.

Rätsel Nummer drei wird uns den ganzen Test über begleiten. Was ist das eigentlich für ein Bike, wo sortieren wir es sinnvoller Weise ein? Dabei ist auf den ersten Blick alles klar: Hohe, eher aufrechte Sitzposition, stollige Stollenpneus Marke „Abenteuer kann kommen“ und Kofferhalter. Was willst du mehr? Eine komplette Sicherheitsausstattung beispielsweise? Mit ABS (auch Offroad), Traktionskontrolle und so weiter? Bitteschön, ist alles an Bord.

Das ist klasse, da A2-Bikes öfters von Anfängern gefahren werden, die sich über das dichte Sicherheitsnetz am meisten freuen dürften.

Jetzt aber los.

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Wendig wie keine Zweite

Schon beim Aufsteigen zeigt sich ein wesentlicher Charakter dieser Maschine. Tester Markus, nicht gerade übergewichtig, schwingt sich mit dem ihm eigenen Elan auf das Bike – und kippt fast mitsamt der Fuhre zur Seite. Die KTM wiegt nur 172 Kilo voll, gefühlt noch weniger. Die Leichtigkeit des Seins ist einer der wesentlichen Charakterzüge dieser 390er Adventure.

Davon abgesehen beträgt die Sitzhöhe 855 Millimeter, es ist ein Sitzen auf hohem Niveau, dazu weit vorn. Das hat mehrere Auswirkungen: ab 1,85 Meter Körperlänge wird’s auf dem kleinen Bike langsam ungemütlich. Der Pilot sitzt zudem nicht in der Maschine, sondern darauf. Für die Sitzposition weit vorne empfanden die Tester den Lenker als zu tief montiert. Auf der anderen Seite haben wir noch nie ein so kleines Bike gehabt, welches dem Sozius so ein auskömmliches Sitzen ermöglicht. Das ist schon klasse.

Ein Wort zur Mischbereifung, das sich diesmal mit dem geringen Gewicht kombinieren lässt. Der Autor dieser Zeilen steht nicht auf Mischbereifung, die auf Straße gleich gut wie im Gelände funktionieren soll. In der Praxis heißt das nur zu oft, dass sie in beiden Fällen ein Kompromiss ist, der leicht zu einem faulen wird. Bei der KTM 390 Adventure ist das insofern anders, als die Maschine durch ihr geringes Gewicht auch Einsteigern abseits der Straßen mehr als nur erste Gehversuche ermöglicht. Unter den von uns getesteten Adventure-Bikes ist die KTM in dieser Hinsicht ganz weit vorn.

Die nur 172 Kilo geben dem Biker zu jeder Zeit das Gefühl, die Fuhre im Griff zu haben. Sie ist zu jeder Zeit extrem wendig durch ihren 1,43 Meter kurzen Radstand, ohne jemals kippelig oder instabil zu wirken. Das umfangreiche Sicherheitspaket wie die schräglagenabhängige Traktionskontrolle oder das auf Offroad einstellbare ABS tragen ihren Teil dazu bei. Wie überhaupt die Ausstattung hervorragend ist: Ob LED-Beleuchtung oder das farbige Cockpit, welches seine Helligkeit dem Umgebungslicht anpasst: Ausstattungsmäßig spielt die KTM 390 Adventure zwei, mindestens aber eine Klasse über dem Durchschnitt mit. Mit einer Ausnahme, denn die  Bremsen (vorne Einzelscheibe) bekommen von uns nur die Note ausreichend.

Auf Dauer ist die Sitzbank übrigens eher von der harten Sorte. Ist dies ein Sünderbänkchen, welches auf die kommenden Regelverstöße im Straßenverkehr hindeutet? Möglich wäre das wie erwähnt beim Kurvenräubern auf jeden Fall, das Fahrwerk ist – ungewöhnlich für diese Klasse – voll einstellbar. Der Motor, ein Einzylinder, muss für seine 44 PS gedreht werden, was einem Cruiser-Fahrstil eher abträglich ist. Doch es geht durchaus vergnüglich voran, keine Frage. Das Getriebe ist typisch KTM: präzise und mit kurzen Schaltwegen findet sich der passende Gang.

Der Fahrkomfort ist gut, bis auf den Windschutz – es ist eben ein kleines Schild. Das lässt sich in der Höhe mit Werkzeug verstellen, was es aber erstens nicht größer macht und zudem die Windgeräusche nicht abstellt.

Gut, aber teuer

Was ist nun mit dem eingangs erwähnten dritten Rätsel? Was ist das für ein Bike? Da holen wir mal die gaaaaanz große Keule raus. Die Welt wäre eine bessere, wenn wir alle weniger Fleisch essen würden, Safer Sex praktizierten und nicht nur als A2-Führerscheininhaber KTM 390 Adventure fahren würden. Die Sicherheitsausstattung ist überzeugend. Allein, die Welt ist nicht so. Das Problem an der KTM ist, dass sie so wunderbar ausgestattet ist, dass sie so sicher wie irgend möglich ist, deshalb aber gar nicht billig sein kann. Ist sie denn mit 6.195 Euro auch nicht, was die Antwort auf die Frage nach der Einordnung noch komplizierter macht.

Für gute 6.000 bekommt man mit der KTM ein gutes Bike, welches aber keinerlei Entwicklungsmöglichkeiten hat. Sie wird immer 44 PS haben, das ist das Ende der Fahnenstange. Das reicht einem entweder auf Dauer – oder aber man legt ein paar Hundert Euro drauf und bewegt sich im Bereich der Kawasaki Z 650 oder Yamaha MT-07, die gedrosselt A2-konform sind und später nach Ablauf der Büßerzeit mit 75 PS äußerst erfreuliche Spaßbringer sind.

Die KTM 390 Adventure ist zu teuer, um als reines Einsteigerbike genutzt zu werden. Andererseits genügen 44 PS den meisten Motorradfahrern auf Dauer nicht. So findet sich ein tolles Bike letztendlich zwischen allen Stühlen wieder.

Das Testbike wurde uns von Motorrad Ruser in Haseldorf bei Hamburg zur Verfügung gestellt

Preis / Farben / Baujahre

  • Preis: 6.195€
  • Baujahre: seit 2020
  • Farben: weiß, orange
Pro & Kontra
Pro:
  • Austattung
  • Wieselflink
  • Soziuskomfort
  • Geringes Gewicht
Kontra:
  • Preis
04.2020: Test: KTM 390 Adventure
Verkaufszahlen (Deutschland)
Gesamt: 2.546 Mid: 35100
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