Die KTM 1290 Super Duke R wird vom Hersteller selbst als Biest bezeichnet. Das darf man getrost vergessen, denn ein gefährliches Motorrad, welches nur auf den Fehler des Piloten lauert, ist das Power Naked nicht. Aber ein Faszinierendes, wie der Test zeigt.
Tja, ist das noch ein Facelift? Oder eine Neukonstruktion? Wie dem auch sei: Die nunmehr dritte Generation der großen Super Duke will alles noch besser machen als ihre beiden Vorgänger. Die Daten sind dabei nicht spektakulär anders in Relation, denn drei PS mehr oder sechs Kilo weniger wären bei einer normalen Maschine nicht der Rede wert. Bei dieser KTM schon, denn die absoluten Zahlen sind es, die die Vorfreude auf den Test erhöhen: Wenn 180 PS auf weniger als 200 Kilo treffen, dann geht die Post richtig ab.
Doch zuerst ein Blick auf das Motorrad an sich: Die Super Duke gehört zu den Power Naked-Bikes und dort möchte sie bitteschön nicht der Herzog sein (Duke), sondern die Königin. Super Queen also. Sie muss in dieser Position gegen mächtige Rivalen antreten, wie beispielsweise Ducatis Streetfighter V4 mit noch höherer Leistung, aber auch Kawasaki Z H2, BMW S 1000 R oder die Yamaha MT-10 wollen ihr die Käufergunst abspenstig machen.
Vernunftbegabte Menschen könnten die Frage stellen, ob es Sinn macht, einen 180 PS starken V2 der Brutalo-Fraktion in ein Bike ohne jeden Windschutz zu schrauben. Vernunftbegabte Menschen jedoch fahren selten Motorrad und wenn, dann nicht Super Duke.
Dieses Motorrad gehört eindeutig zur Spitze des Überflüssigen, was ihr im Motorradtest.de-Team die Herzen zufliegen lässt, zumal sich die Vorgängerin und die Ducati Streetfighter als äußerst unterhaltsame Testbikes herausgestellt haben.
Damit die Super Duke zwar abgeht, aber nicht abfliegt, sponnen die KTM-Ingenieure ein engmaschiges Sicherheitsnetz. Daher sind neben Kurven-ABS auch Traktions-, Wheelie- und Stoppie-Kontrolle mit dabei. Jede gewünschte Konfiguration ist vom Fahrer per sinniger Bedienung und gut ablesbarem Display fein justierbar.
Jetzt aber los.
Man muss V2-Motoren nicht mögen, schon klar. Aber den allermeisten von ihnen kann man eines nicht absprechen: Charakter. Den hat der 1.301 ccm Motor der Super Duke mit der Muttermilch aufgesogen, sich quasi im Übermaß reingeschnorchelt. Schon bei 3.000 Touren stehen 110 Newtonmeter bereit, der Durchzug ist demnach gewaltig. Maximal sind es 140 Newton bei 8.000 U/min, weitere 1.500 Touren später ist die Maximalleistung von 180 PS erreicht.
Und dennoch ist es nicht dies, was am meisten überrascht. Nicht die ständige Power, die man abseits der Rennstrecke kaum legal ausnutzen kann, ist das Faszinosum, sondern die Art und Weise, wie die KTM abliefert. Die Ingenieure haben die Schwungmasse des Motors verringert, was zu einer fast digitalen Gasannahme führt: bei Vollgas zieht es die Hände aus den Handschuhen, beim ruckartigen Gaswegnehmen bricht die Leistung abrupt ein.
Ein Rennmotor eben, aber ein alltagstauglicher: Ruckeln oder Stottern, Ketteschlagen oder sonstige Rüpeleien verkneift sich der V2. Ab 2.500 Touren geht es enorm voran.
Vor lauter Motorbeschreibung haben wir den Testeinstieg vergessen. Dann eben hier im Schnelldurchlauf nachgeliefert: Display wie gesagt kontraststark und gut bedienbar. Menüführung umfangreich, aber logisch. Gut drauf auf die KTM kommt man auch, aber sehr klein sollte man besser nicht sein. Einmal drauf, sitzt man drinnen und gut integriert. Die Hände fallen wie von selbst auf die Griffe, die Sitzposition ist entspannt-sportlich. Alles bestens also, sofern man nicht auf dem winzigen Sitzbrötchen hinten Platz nehmen muss. „Wie bei nahezu jedem Naked Bike“, sagen die Wissenden, was stimmt, „total überflüssig“ sagen wir von Motorradtest.de, was noch stimmiger stimmt.
Die KTM hätte jetzt eine Gelegenheit sich als Biest zu erweisen, denn nun kommen wir zum Fahrwerk und den Bremsen. Doch obwohl die KTM keine Sänfte ist, knallt sie einem nicht bei jeder Gelegenheit die Sitzbank in den Allerwertesten. Ein komfortbetontes Motorrad will sie nicht sein und sollte sie nicht: Bei dieser Leistung muss das Fahrwerk in Sachen Präzision und Stabilität über jeden Zweifel erhaben sein, und das ist es. Das neue Fachwerk des Rahmens soll nach KTM-Angaben dreimal verwindungssteifer als vorher sein. Bei der Kurvenhatz helfen ihr das geringe Gewicht von nur 200 Kilo, denn handlich ist sie auch. Und die Bremsen von Brembo, was machen die? Bremsen. So, dass es eine Wucht ist.
KTM hat also eine Mogelpackung abgeliefert, denn weder ist sie ein Biest, noch ein Herzog. Was für ein Glück. Sie ist eine Macht auf der Straße, aber eine beherrschbare. Die Super Duke steht für Fahrspaß ohne Ende, wenn vor allem die schiere Leistung zählt. Sie ist die pure Unvernunft, ein Spaßbike ohne hohen Nutzwert.
Wer so etwas sucht, der wird hier glücklich werden, vorausgesetzt das kantige Design gefällt. Aber: Ist das nicht immer so?
Das Testbike wurde uns von Bergmann & Söhne in Hamburg zur Verfügung gestellt.
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