Test Honda CRF 1100 L Africa Twin Adventure Sports '24 (Baujahr 2024)
Was kann die neue Africa Twin, was die alte nicht konnte?
Fotos: Motorradtest.de
Die Africa Twin Adventure Sports Jahrgang 2024 ist viel mehr als nur ein kleines Update. Honda hat bei der neuen CRF 1100 L so ziemlich alles auf Links gedreht. Herausgekommen ist ein reinrassiges Adventure-Bike, dass sich perfekt für lange Touren auf der Straße eignet. Volker und Dietmar haben eine Runde gedreht und schildern hier, was die neue Adventure Sports besser macht als das Vorgängermodell.
Zweimal Africa Twin
Auch im Jahr 2024 stellt Honda zwei Africa Twins in die Verkaufshallen. Die Standard AT ist eine Reise-Enduro mit 21" Vorderrad und soll eher die Geländefahrer ansprechen. Die hier getestete Adventure Sports mit 19" Vorderrad ist klassisches Adventure-Bike für die lange Reise, welches sich auf vor allem der Straße wohl fühlt. Die Spreizung zwischen den beiden Modellen ist nun also wesentlich deutlicher als noch bei den Vorgänger-Modellen.
Die Unterschiede zwischen den Einsatz-Zwecken finden sich auch in der Ausgestaltung der beiden Africa Twins wieder. Die Adv. Sports hat mit ihrem 24,8 Liter Tank die größere Reichweite (500 km!), sie hat niedrigere Federwege, eine geringere Bodenfreiheit und eine moderatere Sitzhöhe und sie ist insgesamt zugänglicher als die Standard AT. Motor, Rahmen und Technik sind weitestgehend identisch, allerdings kommt die Adv. Sports in Serie nun mit dem EERA Fahrwerk von Showa. Dieses elektronische Fahrwerk musste man früher dazu buchen, was bei der Standard AT auch immer noch möglich ist (Aufpreis: 1.300 Euro). Mit dem EERA sind sämtliche Dämpfungen und Vorspannungen über das Cockpit einstellbar und auf Wunsch passt es die Einstellungen je nach Untergrund und Fahrweise auch automatisch an.
Abmessungen und Sitzergonomie
Auf der Adventure Sports haben Fahrer und Beifahrer sehr viel Platz. Die Sitzhöhe kann ohne Werkzeug zwischen 835 und 855 mm verstellt werden. Damit sind auch kleinere Personen nun "Africa-Twin fähig". Das neue Modell fühlt sich auch nicht mehr so hochhackig an wie der Vorgänger. Allerdings ist sie mit 243 kg fahrfertig noch immer recht schwer. Hat man - wie bei unserer Testmaschine - auch noch das DCT-Getriebe an Bord, kommen noch einmal 12 kg obendrauf. Übrigens wurde auch die Sitzbank überarbeitet. Sie bietet nun eine höhere Polsterfläche, man sitzt dadurch sehr bequem ohne Po-Zwicken auch bei längeren Strecken.
Sehr viel Platz für Fahrer und Beifahrer.
Die Africa Twin ist mit einer Länge von 2,30m und einem Radstand von 1,57m ein riesiges Motorrad und schon rein optisch ist sie eine extrem stattliche Erscheinung. Die Version in Grau-Schwarz kostet ab 18.490 Euro, uns gefällt die weiß-rot-blau Lackierung (300 Euro Aufpreis) aber noch viel besser.
360 Grad Rundgang um die Africa Twin Adventure Sports 2024
Technik - das soll sie können
Schon die Vorgängerin konnte mit einer Ausstattung der Kategorie "volle Hütte" aufwarten. Das hat sich natürlich nicht geändert. Es gibt nach wie vor das zweiteilige Display mit großen 6,5" Farb-TFT Touchscreen inkl. Apple Carplay und Android Auto Anbindung. Letztes haben wir ausprobiert und wir müssen zugeben: Das ist schon eine sehr komfortable Angelegenheit, sein Ziel auf dem Handy einzugeben und dann eine riesige Vollkartennavigation im Cockpit zu genießen - leider geil !
Es ist wirklich alles dran der AT: Schräglagensensorik mit Kurven-ABS und 7-facher Traktionskontrolle, 4+2 Fahrmodi, Tempomat, Heizgriffe, automatisch rückstellende Blinker etc. Nur ein Radarsystem hat Honda noch nicht implementiert, das kommt dann wohl beim nächsten Modellwechsel.
Die Maschine hat in Serie übrigens auch Kurvenlicht und ein Notbremssystem, welches bei starken Verzögerungen die Warnblinkanlage automatisch aktiviert. ABER: Diese vielen Funktionen machen die Bedienung der AT leider nicht gerade einfach. Schade, dass Honda weiterhin an einer Vielzahl von Schaltern festhält, die leider auch nicht beleuchtet sind. Also: Draufsetzen und losfahren ist nicht, eine gewisse Eingewöhnungszeit sollte man sich schon gönnen, um mit der Bedienung der Maschine klarzukommen.
Prachtkerl von einem Motor: Der Reihentwin leistet jetzt 112 Nm Drehmoment - und das schon bei 5.500 Umin.
So fährt sie sich
Die neue Africa Twin klingt ähnlich wie die alte. Nur etwas leiser, dafür aber auch einen Tick bassiger. Das Tirol-freundliche Standgeräusch liegt bei 92 dbA, subjektiv klingt die AT aber lauter - vor allem dann, wenn man Gas gibt! Den Soundcheck kann man rechts oben starten, vorher unbedingt Lautstärke auf Maximum stellen!
Bevor es losgeht, kurbeln wir noch kurz am Windschild herum. Man kann dieses manuell ohne Werkzeug einstellen und der Windschutz ist tatsächlich ziemlich gut. In der hochgestellten Variante ist es ruhig unter dem Helm und man bekommt kaum noch etwas ab. Nach unten gestellt gibt es ein paar Verwirbelungen, aber dafür Frischluft und auch so ist der Winddruck auf dem Oberkörper noch sehr gering. Selbst bei Autobahn-Fahrten über 200 km/h (ja - sie fährt nämlich doch schneller als die angegeben 199 km/h, siehe Testvideo ab Minute 31:58) kann man es gut aushalten auf der Adventure-Sports. Das liegt übrigens nicht nur am Windschild, sondern an der gesamten Frontverkleidung, die Honda für das 24er Modell aerodynamisch ebenfalls überarbeitet hat.
Stark überarbeitet wurde auch der Motor, der nun 112 Nm bei schon 5.500 Umdrehungen nach hinten wuchtet. Dazu wurde die Verdichtung erhöht, die Einlasskanäle geändert und auch im Motor-Inneren an Pleueln und Kolben hat Honda Hand angelegt. Anlass dazu dürfte die Euro5+ Norm gewesen sein, zum Glück hat die neue AT nun aber noch mehr Druck untenrum und im mittleren Drehzahlbereich. 7 Prozent mehr Drehmoment sind bei der Frischzellenkur herausgekommen, nicht schlecht.
Unsere letzte Probefahrt auf dem Vorgängermodell ist schon 3,5 Jahre her, insofern können wir leider nicht sagen, ob sich die neue AT wirklich stärker anfühlt als die alte. Das ist eigentlich auch egal, jedenfalls drückt der neue Motor ordentlich nach vorne, und dass tatsächlich schon bei niedrigen Drehzahlen. Da unser Testbike das (ebenfalls nochmals überarbeitete) DCT-Getriebe hatte, gestaltete sich vor allem die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h ohne Schalterei als beeindruckende Aktion. Unter 3,5 Sekunden braucht die AT dazu - und zum Glück war die Wheelie-Control aktiviert, sonst wäre der Gaul wohl kräftig gestiegen. Man kann das Einregeln der Wheelie-Control im Testvideo (ab Minute 22:26) regelrecht sehen - Klasse Feature.
Das Fahrverhalten der Adventure Sports ist darüber hinaus über jeden Zweifel erhaben. Das EERA regiert im Millisekunden-Bereich und bügelt alles glatt, was sich in den Weg stellt. Die Maschine ist mit einem Wort gesagt: Souverän! Jeder Meter ist eine Wohltat und natürlich funktioniert Honda-typisch auch einfach alles an diesem Bike so, wie man es erwartet. Die Bremsen sind kräftig und wohldosierbar und benötigen wenig Handkraft. Durch das 19 Zoll Vorderrad kann man die AT auch besser durch Kurven bugsieren als die Vorgängerin. Die Bereifung (Bridgestone Battlax Adventure A41) passt auch wunderbar zur Straßenorientierung der Adventure Sports, Schräglagen sind damit kein Problem. Für unseren Geschmack passt der 110/80er vorne auch wesentlich besser zum Charaker der Adv. Sports als der alte 90/90er mit 21" - und er sieht einfach auch knackiger aus.
Besonders cool fanden wir auch das DCT an der AT. Zugegeben: Es ist für uns immer noch ein wenig gewöhnungsbedürftig, ein Motorrad ohne Kupplungshebel zu fahren, aber es funktioniert ganz wunderbar. Wer zwischendurch gerne mal schalten möchte, stellt das DCT einfach auf den "M" Modus und bedient sich der beiden Taster zum Rauf- und Runterschalten - ganz wie bei einem Formel 1 Boliden oder an der Konsole. Das DCT kostet zwar 1.100 Euro Aufpreis, aber gerade an einem solchen Reise-Dampfer ist es sehr gut aufgehoben. Kein Wunder, dass sich über 65 Prozent der Käufer für eine Africa Twin mit DCT entscheiden.
Die Garantie für die CRF 1100 L liegt bei zwei Jahren ohne Kilometer-Begrenzung. Der Service ist alle 12.000 Kilometer fällig. Merkwürdig, dass Honda hier noch hinter der Konkurrenz hinterherhinkt, zumal die Qualität und Zuverlässigkeit eine längere Garantiezeit eigentlich ermöglichen sollte. Apropos Konkurrenz: Es gibt diverse Adventure-Bikes der gehobenen Mittelklasse, aber keine schielt unserer Meinung nach so sehr Richtung in Oberklasse wie die neue Honda.
Fazit
Die neue Africa Twin ist ein starkes Stück Motorrad! Die Adventure Sports wurde noch mehr auf Straße getrimmt und gehört nun zu den ultimativen Adventure-Bikes für die Reise zum Nordkap. Sie ist technisch komplett ausgestattet und gehört abgesehen von der Leistung ganz klar in die Oberklasse. Einzige Kritikpunkte sind die fummelige Bedienung und das etwas schwere Gewicht, womit allerdings auch viele Wettbewerber zu kämpfen haben. Ansonsten eine supergeile Maschine mit majestätischer Ausstrahlung und ebensolchem Fahrgefühl - grandios!
Das Testbike wurde uns wieder einmal von motofun (
www.motofun.de) aus Kaltenkirchen nördlich von Hamburg zur Verfügung gestellt. Dort steht die Adventure Sports und die Standard AT als Vorführer bereit. Probefahrten dort sind in den Schmalfelder Kurven ein echter Genuss - auf zu
motofun und Gruß an den Chef Nico!
Preis/Verfügbarkeit/Farben/Baujahre
- Preis: 18.490 €
- Gebraucht (3 Jahre alt): 15.000€
- Baujahre: seit 2019
- Farben: Schwarz, Weiß
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