Suzuki, so scheint es, bringt seit längerem nichts wirklich Neues mehr. Dann testen wir eben das, was schon da ist. Die V-Strom hatten wir als 1000er im Test und auch die 1050er musste bei uns antreten. Da war doch noch was? Ach ja, die 650. Die Kleine wird oft übersehen, aber das ist ein Fehler, wie sich schnell herausstellen sollte.
Es ist wirklich beeindruckend: Wenn man selbst wählen dürfte, dann nähme man natürlich immer die Vollfettstufe unter den Reiseenduros. Das heißt: Mindestens 1000 Kubik und PS-Leistungen weit nördlich von 100 sind das Maß aller Dinge. Aber ist das wirklich so?
Den Gegenbeweis tritt wieder einmal die Suzuki V-Strom 650 an. Ein Vormodell wird bei uns im Team schon lange gefahren, auf unseren jährlichen Alpentouren glänzte sie regelmäßig durch Ihr kombiniertes Talent aus Reisetauglichkeit und Kurvenhatz. Wenig Leistung? Stimmt, macht aber nichts, wenn der Fahrer hochbegabt ist – wie immer im Leben eines Motorradfahrers.
Das aktuelle Modell trat also zum Dienst bei uns an, und es ist wie immer bei dieser japanischen Marke: Man setzt sich drauf und fährt los. Keine Ahnung, wie die Ingenieure das hinbekommen. Aber eine Eingewöhnungszeit gibt es nicht, alles ist sofort verständlich und das ganze Moped fährt sich, als wäre man nie etwas Anderes gefahren.
Doch vorab einen Blick auf das Motorrad im Stand. Der Motor ist ein alter Bekannter. Gefühlt gibt es ihn immer wieder aufgefrischt seit 20 Jahren, bei uns überzeugte er zuletzt in der SV 650. Ein echter V2 ist es, hier 71 PS stark. Das Motorrad selbst ist dabei mit einer Länge von 2.275 Millimetern nicht sonderlich klein, weder optisch, noch in der Realität. Erwünschter Effekt: Die Platzverhältnisse auch für den Sozius sind sehr kommod. Das Design der Frontmaske mit dem typischen Schnabel ist hingegen Geschmackssache, schon klar.
Die Suzuki kostet lediglich 8.390 Euro. Das merkt man nicht an der Verarbeitung, aber etwas an der Ausstattung. Auf das angesagte LED-Licht muss man verzichten, an elektronischen Helferlein gibt es nur ABS und Traktionskontrolle. Auf der anderen Seite ist die Suzuki sehr praxisnah: Ein Beispiel hierfür sind die Halterungen für die Koffer. Diese kommen direkt ans Heck, was ein extra Gestell spart. Für weitere 600 Euro gibt es die XT-Variante: Speichenräder, Bugspoiler und Handschützer sind dann enthalten.
Im Bereich Sitzbank und Tank ist die Suzuki V-Strom 650 schmal gehalten. Das sorgt bei kleineren oder kurzbeinigen Fahrern für einen sicheren Stand. Großgewachsene Menschen sollten die 20 Millimeter höhere Bank wählen.
Aufgesessen fällt der Blick auf sehr übersichtliche Instrumente, deren Zierde ist der analoge Drehzahlmesser. Da die Ausstattung mit Elektronik wie erwähnt sparsam ist, gibt es auch wenig einzustellen oder zu überwachen. Das wenige, was es gibt, ist wie die mehrstufige Traktionskontrolle einfach zu bedienen.
Dann mal los.
Nahezu jeder Hersteller hat eine große und eine kleine oder mittlere Adventure im Programm. In den meisten Fällen (alle außer Ducati) ist das Mittelklassemobil mit 70 bis 95 PS nicht nur schwächer, sondern agiler. Suzuki geht hier einen anderen Weg, der Schritt zwischen der 1050 mit gut 100 PS und der 650 mit deren 71 ist kleiner als gedacht.
Das große 19-Zoll-Vorderrad deutet es schon an: Die Suzuki soll eine Reiseenduro sein, auf eine sportliche Straßenauslegung wurde verzichtet. Dazu passend trägt unser Testbike Mischbereifung, die sich abseits der Straßen nicht sofort zusetzt. In der Realität bleiben die Enduro-Qualitäten der V-Strom 650 überschaubar, aber das hat sie mit den meisten Adventure-Bikes gemein.
Die 650er ist kein kleines Motorrad. Das bringt die erwähnten, großzügigen Platzverhältnisse. Überhaupt ist der Komfort eine der großen Stärken dieser V-Strom 650. Ob größere oder kleinere Unebenheiten, die Suzuki verschon den Fahrer mit einer allzu genauen Info über die Schwächen des jeweiligen Fahrbahnbelags.
Der größte Unterschied zur 1050er Suzi ist der Motor. Zwar werden beide von den altbekannten V2-Motoren angetrieben, aber der 650 fehlen eben rund 400 Kubik und 30 PS. Das ist spürbar, aber per se kein Grund gegen die 650er. Der Motor mit 71 PS macht seine Sache nämlich ausgesprochen gut. Mit schönem, dumpfen Klang schiebt er die 213 Kilo voran, und zwar schon aus niedrigen Drehzahlen. Oben heraus kommt V2-Suzi-typisch nicht viel nach, aber über ein breites Drehzahlband ist er ein angenehmer Begleiter – das war uns schon bei der 650 SV aufgefallen.
Unter dem Strich gibt es einen klaren Daumen hoch für die Suzuki V-Strom 650. Mit 8.390 Euro ist sie ein rundum gelungenes Bike mit sehr guten Umgangsformen, überall einsetzbar und voll reisetauglich.
Suzuki bleibt seinem Ruf treu, unterschätzte Bikes zu bauen. Unsere Empfehlung für alle, die einen voll alltagstaugliches Bike mit einem sehr guten Preis-Leistungs-Verhältnis suchen: Fahrt sie unbedingt mal probe. Selten so viel Spaß mit so wenig Aufwand gehabt.
Das Testbike wurde uns von M.A.S. in Wilster zur Verfügung gestellt.
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