Fotos: Motorradtest.de
Die neue BMW R 1300 R sieht nicht nur bullig aus, sie fährt sich auch so. Der neue Boxer schiebt mächtig an, aber trotzdem fühlt man sich auf der R stets sicher aufgehoben. Was genau die Faszination des neuen Roadsters aus München ausmacht, wollten Ole und Dietmar ergründen. Hier ihr Fahrbericht.
Der Ritt auf der Kanonenkugel
Mit GS, RS, RT und R hat BMW nun nicht weniger als vier Maschinen um den neuen Boxer herum gebaut. Warum auch nicht, schließlich handelt es sich um den Parademotor aus München mit gefühlt Jahrtausende langer Tradition. Selbst der Roadster mit dem schlichten Namenskürzel "R" hat schon eine längere Geschichte, die streng genommen 1991 mit der BMW R 100 R begann. Nicht erschrecken: Das ist schon 35 Jahre her...
Zugegeben, so viel hat die neue R mit der alten nicht mehr am Hut, aber immerhin gab es schon damals die integrierte Einarmschwinge mit Kardanwelle und natürlich den Boxermotor, der aber seit der R1200 K53 mit Wasser gekühlt wird. Die R 1300 R gibt es ab 16.450 Euro, unser nahezu voll ausgestattetes Testmodell, welches wir von
Bergmann & Söhne in Neumünster bekommen haben, schlägt mit 19.990 Euro zu Buche.
Was sagt BMW zur neuen R 1300 R?
"Die R 1300 R ist Dein Roadster-Muss, wenn Du auf Performance, Vielseitigkeit und pure Fahrfreude stehst.
Ob Landstraße oder Alpenpässe – dieser dynamische Roadster unterstreicht Deinen Lifestyle."
Farbauswahl: Man wählt nicht nur Farbe, sondern auch Ausstattung. Gefällt nicht jedem.
Sitzprobe
Die Sitzposition erscheint uns etwas sportlicher als auf dem Vorgänger, also der R 1250 R. Man sitzt tendenziell zwar immer noch aufrecht, hier aber mit einem Schmiss mehr Richtung Vorderrad und irgendwie bereits im Stand schon im Attacke-Modus. Die Sitzhöhe liegt bei 810 mm, es gibt aber auch unterschiedliche Sitzbänke mit Sitzhöhen von 785 mm bis 840 mm. Sehr gut, dass BMW sich hier so flexibel zeigt, denn gerade bei der Sitzhöhe gehen die Präferenzen der Käuferschaft quer durch den Garten.
Auf jeden Fall sitzt auch der Beifahrer gut gebettet auf der neuen R. Natürlich fühlt sich das nicht ganz so sicher an wie auf einer GS oder RT, aber der Komfort ist gut, vernünftige Haltegriffe sind an Bord und so sollte sich das auch zu zweit über längere Strecken ausgehen. Die Maschine wiegt fahrfertig 239 kg und lässt sich nur entsprechend mühsam rangieren. Alles in allem ist die R 1300 R kein Anfängerbike, schon aufgrund ihrer Leistung.
Blick von vorne. Spitzname "Bulldogge" - warum nur?
360 Grad Rundgang um die BMW R 1300 R
Technik des neuen Roadsters
Wie schon beim Test der RS müssen wir an dieser Stelle leider auf die Produktwebseite der R 1300 R verweisen: Es gibt einfach zu viele technische Details, die unseren Testrahmen hier sprengen würden. Kurz gesagt besitzt auch die R das große 6,5" TFT-Farbdisplay mit Handy-Anbindung und Pfeil-Navigation, die per BMW Connected Ride App perfekt funktioniert. Das Display ist sehr gut ablesbar und verwöhnt den Fahrer mit unzähligen Anzeigen.
In Serie verfügt die R bereits über eine schlüssellose Zündung, Tempomat, USB-C Anschluss, Dynamic ESA Fahrwerk, drei Fahrmodi und Schräglagen-Sensorik mit Kurven-ABS und Kurven-Traktionskontrolle. Aber BMW wäre nicht BMW, wenn es nicht zahllose Options-Features und Pakete geben würde (siehe unten). Ärgerlich: Oft ist so, dass ein bestimmtes Zubehör nur in einem Paket verfügbar ist. Beispiel: Wer lediglich Heizgriffe haben möchte, muss gleich zum Komfortpaket mit weiteren Features für 600 Euro greifen.
Nicht in Serie dabei ist übrigens der QuickShifter, der aus unserer Sicht aber wie üblich bei den Boxermodellen von BMW sowieso nicht besonders harmonisch agiert - auf den könnten wir daher auch verzichten.
Sehr gelungen finden wir das Licht-Design! Komplett in LED gehalten und mit einem sehr hellen Tagfahrlicht versehen macht die R licht-optisch mächtig was her. Hinten gibt es separate Blinker und an eine automatische Blinker-Rückstellung sowie eine Coming-Home Funktion hat BMW auch gedacht. Wer mag, kann sich das Kurvenlicht "Headlight Pro" für 500 Euro dazubuchen. Hatte unser Testbike natürlich auch - selbstverständlich.
Endschalldämpfer mit "Designoption". Sieht wirklich gut aus.
Pakete und Preise für die BMW R 1300 R
Komfort-Paket (600 €): Heizgriffe / Sitzheizung / Reifendruck-Kontrolle / Vorbereitung Gepäcksystem mit Zentralverriegelung
Dynamik-Paket (1.580 €): QuickShifter / Fahrmodi Pro / Sportbremse / DSA (Dynamic Suspension Assistant -> semiaktive Steuerung der Dämpfung und Federvorspannung je nach Fahrmodus)
Innovationspaket (970€): Kurvenlicht / Riding-Assistant -> Abstandstempomat mit Front-Radar / Front-Kollisionswarnung mit Bremsunterstützung
So fährt sie sich
Unser Testbike hatte die "Designoption Endschalldämpfer" - welch ein merkwürdiger und sperriger Name für einen wirklich schönen dunkel-verchromten Doppelrohr-Auspuff. Und der sieht nicht nur betörend aus, sondern klingt auch gut. Zugegeben: Der "neue" Boxersound mit Euro5+ gefällt nicht jedem, wir fanden in an der R aber druchaus kernig und charaktervoll - und nicht zu laut. Den Soundcheck zum Selber hören findet ihre rechts oben.
Wie gesagt macht die neue R schon im Stand mächtig was her, aber jetzt gehts es auf die Straße - und da geht es dann aber mal so richtig zur Sache! Merkwürdig, die R fühlt sich ganz anders an die RS, obwohl es ja Schwestermodelle sind. Wo die RS mehr auf Intercity und Geradeauslauf macht, wirkt die R wesentlich agiler und kurvenwilliger. Oder anders gesagt: RS -> Autobahn und laaaange Strecke mit 240 km/h, R -> Landstraße, Stelvio und Kurvengewusel.
Muskelpaket und Freudenspender: BMW-Boxer mit reichlich Punch. Untenrum, in der Mitte und obenrum!
Der Boxer zeigt an R und RS ähnlich gute Manieren: Druckvoller Punch von unten, drehwillig nach oben hinaus und sowohl in Sachen Leistung als auch Drehmoment ohne Worte. Zum Glück liegt auch die R satt auf der Straße, ansonsten würde man ständig nur auf dem Hinterrad durch die Gegend wheelen. Der Motor ist echt der Hammer, dass musste vor allem Ole erfahren, der erstmalig mit dem 1300er Boxer Gas geben durfte. Ich musste beim Schnitt ständig seine "Ohh!s" und "Aaaaarg!s" rausschneiden. Es macht echt einen irren Spaß, hier mal Hahn zu drehen, allerdings wird die R 1300 R damit auch zum Suchtmobil und man muss schon sehr diszipliniert sein, um nicht ständig die Regeln der StVZO zu brechen. Wie gesagt: Nicht Anfänger kompatibel, aber mal so gar nicht!
Unsere Maschine hatte zwar nicht das ASA Automatik-Getriebe, dafür aber das DSA Fahrwerk, welches automatisch semiaktiv die Dämpfung vorne und hinten regelt. Ich zitiere hier der Einfachheit halber mal von der Homepage:
"Dynamic Suspension Adjustment (DSA) passt die Federrate und Dämpfung automatisch an die Fahrsituation an. Die Dämpfungscharakteristik ist abhängig von der Fahrdynamik und dem gewählten Fahrmodus. Außerdem gleicht das System die Einstellungen an den aktuellen Beladungszustand an – für exzellenten Fahrkomfort und außerordentliche Fahrstabilität."
Und Leute, was soll ich sagen: Das funktioniert tatsächlich hervorragend! Genau wie BMW behauptet fährt sich die R einerseits zwar sehr komfortabel, andererseits ist sie aber megastabil und wird automatisch straffer, wenn es die Fahrbahn oder der Fahrstil oder die Beladung oder alles zusammen nötig macht. Das ist doch mal echte, erlebbare Ingenieurskunst "Made in Germany".
Bremsen: Steht BMW drauf, kommt aber von Brembo.
Es scheint mir fast schon weniger erwähnenswert, dass die Bremsen an der BMW R 1300 R ebenfalls sehr gut funktionieren. Da Bremsen beim Motorrad ja aber nun einmal eine nicht ganz unwichtige Funktion haben, sei dies hier auch noch einmal explizit erwähnt. DAS DING BREMST HAMMER!!!
Ebenfalls erwähnenswert ist die Wind-Situation auf dem Bike. Es gibt wie unten zu sehen keine Scheibe, nicht einmal einen Fliegenfänger. Und doch oder vielleicht genau deshalb fühlt es sich tadellos an. Keine lästigen Verwirbelungen, keine Turbulenzen, kein Lärm im Helm. Ich glaube, ich schraube demnächst mal das Ganze Gewese an meinem Cross-Over vorne ab! Natürlich wird es auf der R ab Tempo 150 km/h recht windig im Sattel, aber das ist mir allemal lieber als dieses nervige Gewirbel von halbhohen bzw. halbgaren Windschildern.
Was ist uns sonst noch aufgefallen? Der 190er Schlappen hinten sieht brutal aus, die Bedienung sämtlicher Features bedarf etwas Eingwöhnungszeit und verdammt nochmal, ich hätte die gerne in meiner Garage. Und ich werde nicht müde zu betonen, dass der Preis für BMW-Motorräder im Vergleich so hoch gar nicht ist - so man sich denn beherrschen kann und nicht sämtliche Kreuzchen auf der langen Liste der verfügbaren Optionen macht.
Sogar ganz ohne Zusatz-Optionen (
also wirklich total nackt!) bietet die R 1300 R schon so viel Zeugs, dass man mit 16.450 Euro ausstattungstechnisch schon sehr gut dabei ist. Jaja, immer noch viel Geld, aber schaut bitte mal auf die Preise der
Wettbewerber. Eben, von Honda mal abgesehen auch nicht viel billger, teilweise sogar deutlich teurer. Ach ja: Wie immer bei BMW: Die Garantie liegt bei drei Jahren und der Service ist jährlich oder alle 10.000 Kilometer fällig.