Fotos: Motorradtest.de
Nach fünf Jahren bringt BMW einen Nachfolger für das Erfolgsmodell R 1250 GS. Die neue R 1300 GS macht nach dem Datenblatt gar nicht so viel anders, es ist in Wahrheit aber eine fast komplett neu konstruierte Maschine. Volker und Dietmar haben sich eine voll ausgestattete "Option 719 Tramuntana" geschnappt - und waren hellauf begeistert.
Das beste Motorrad der Welt?
Mit der GS ist es so eine Sache. Seit vielen Jahren gewinnt sie einen Test nach dem anderen. Sie ist so etwas wie der FC Bayern München der Motorradwelt. Aber: In den letzten beiden Jahren hat die 1250 GS zumindest beim Alpen-Master der Zeitschrift MOTORRAD keinen Sieg mehr einfahren können. Sie wurde von der Ducati Multistrada V4 und zuletzt von der Suzuki V-Strom 800 DE besiegt - wie konnte das nur passieren?!
Es wurde also Zeit für ein Update des seit vielen Jahren meistverkauften Motorrads. Herausgekommen ist die neue BMW R 1300 GS, die in der Tat eine Menge Updates aufweist: Neues Rahmenkonzept, neuer Motor, neue Technik, neues Design - alles neu also? Ja und Nein, denn zum Glück fühlt sich auch die neue GS noch an wie eine GS, dennoch ist sie de facto noch einmal ein ganzes Stück besser geworden.
Die R1300 GS gibt es in vier Farben bzw. Ausstattungsvarianten. Den Einstieg macht die "Pure" für knapp über 19.000 Euro. Wir haben zum Test von
Bergmann & Söhne in Neumünster das edelste Modell - die "Option 719 Tramuntana" - mit goldenen Speichenrädern für mindestens 21.840 Euro zur Verfügung gestellt bekommen. Unser Testbike war nahezu voll ausgestattet und kommt so einen Verkaufspreis von 26.000 Euro.
"Viel zu teuer" mag man jetzt denken, das ist aber quatsch. Die
Wettbewerber von Ducati, Triumph, Harley und KTM sind ausstattungsbereinigt auch nicht günstiger. Dennoch sind >20K für ein Motorrad unbestritten viel Geld, aber wer an das Ende der Nahrungskette will, der muss leider auch tief in die Tasche greifen. Dafür gibt es dann aber ein qualitativ sehr hochwertiges Bike, das tatsächlich fast alles kann, wie unser Test noch zeigen wird.
Abmessungen und Sitzergonomie
Fahrer und Beifahrer haben auf der R1300 GS sehr viel Platz. Es gibt mehrere Sitzbänke in unterschiedlichen Höhen von 820 bis 890 mm. Unser Testbike hatte eine Sitzhöhe von 850 mm und bot einen entspannten Kniewinkel. Die Sitzbank ist in der Neigung verstellbar. Eine Sitzheizung für Fahrer und Beifahrer (getrennt regelbar) gibt es für 150 Euro. Das Trapez zwischen Sitz, Lenker und Fußrasten ist nach unserem Geschmack nahezu ideal gelöst.
Die GS ist eine echte Reise-Maschine und dementsprechend fühlt sich das Ganze dann auch an. Beim Gewicht wurden gegenüber der 1250er ganze 13 Kilogramm eingespart. Das merkt man auch beim Rangieren, was hier deutlich einfacher fällt. Vor allem Beifahrer sind ob des Sitzkomforts und den soliden Haltegriffen voll des Lobes - das war bei der Vorgängerin aber auch schon der Fall, und abgesehen vom Gewicht sind die Abmessungen beider Modelle nahezu identisch.
So bequem sitzen Fahrer und Beifahrer auf der GS 1300.
360 Grad Rundgang um die neue BMW R 1300 GS
Technik der BMW R 1300 GS
Die Technik der 1300er GS in allen Einzelheiten zu beschreiben, würde den Rahmen hier sprengen. Deshalb an dieser Stelle nur ein paar Stichworte. In Serie bietet sie ein sehr gut ablesbares 6,5" TFT Farbdisplay mit Smartphone-Connectivity, Schräglagensensorik mit dynamischer Traktionskontrolle und Kurven-ABS (Vollintegral!), 4 Fahrmodi, Motorschleppregelung, Reifendruckkontrolle, Keyless Ride, Heizgriffe und vieles mehr. Es gibt außerdem einen Matrix-LED Hauptscheinwerfer, Tagfahrlicht und selbstrückstellende LED-Blinker, die nun vorne sehr hübsch in den Handprotektoren - deshalb jetzt ebenfalls Serie - untergebracht sind.
Dass die Blinker hinten in die Rückleuchten integriert sind, finden wir allerdings nicht so toll, weil man beim Bremsen den Blinker kaum noch als solchen erkennen kann. Schade finden wir außerdem, dass weder Apple CarPlay noch Android Auto nutzbar sind. Man kann zwar wie schon zuvor eine Pfeilnavigation per "BMW Connected App" auf das Display legen, eine Vollkarten-Navigation wäre aber zeitgemässer gewesen. Kommt garantiert mit dem nächsten Update!
Natürlich kann man die R1300 GS mit vielen Zusatzoptionen aufpeppen. Wie immer bei BMW gibt es dazu Pakete mit unterschiedlichen Optionen. Das hier aufzuführen, macht keinen Sinn, ein Blick auf die BMW Webseite ist daher unabdingbar. Hier nur ein paar Highlights: DSA-Fahrwerk (ehemals ESA), adaptive Höhenregelung, Radar inkl. Totwinkel- und Fahrwechsel-Assistent und natürlich ein ebenfalls neu gestaltetes Vario-Koffersystem.
So klingt sie
Der Sound des neuen Boxer-Motors hat sich ein wenig verändert. Er klingt für unsere Ohren jetzt wieder ein wenig mehr nach den klassischen Boxern von BMW, also etwas "topfiger" als die 1250. Bei niedrigen Drehzahlen ist der Sound eher zurückhaltend, bei höheren Drehzahlen kommt schon ordentlich was raus aus der Tüte. Am besten, ihr hört selbst mal rein: Soundcheck wie immer rechts oben.
So fährt sie sich
Die ersten Meter auf der BMW R 1300 GS sind eigentlich die Schönsten! Man fühlt sich sofort zu Hause, irgendwie geborgen und sicher. Wie BMW das hinkriegt, wissen wir gar nicht so genau, aber viele Fahrer sagen nach der ersten Probefahrt genau das: Es fühlt sich so muckelig an wie am heimischen Kamin ...
Die angenehme und aufrechte Sitzposition ist dafür wahrscheinlich genauso verantwortlich wie die enorm zugängliche Fahrweise dieses eigentlich ja gar nicht mal so leichten Motorrads. Allerdings sind 237 kg fahrfertiges Gewicht im Wettbewerbsvergleich eben doch gar nicht so viel, und so fährt sie sich denn auch: Superwendig, leicht zu hantieren, überaus zugänglich. Wenn sie nicht so viel Leistung hätte, würde ich sogar sagen: Eignet sich ach für Fahranfänger. Sie zirkelt wie von selbst und ultra-präzise durch Kurven und behält auch bei härteren Manövern, z.B. einer Gefahrenbremsung, stoisch die Spur. Das ist schon klasse und tatsächlich auch eine Spur souveräner als bei den Wettbewerbern.
Neben den starken Bremsen möchten wir auch den hervorragenden Windschutz hervorheben. Unsere Maschine hatte das elektronisch verstellbare Windschild, welches auch auf der Autobahn bei hohen Geschwindigkeiten einen Superjob gemacht hat. Zu sehen und zu hören ist dies in unserem Testvideo (siehe unten), in dem Volker bei Tempo 230 km/h noch locker in den Helm atmet und man ihn tatsächlich noch gut verstehen kann. Wirklich bemerkenswert.
Auch beim Fahrwerk hat BMW ordentlich upgedatet: Statt Gitterrohrrahmen kommt nun ein Blechschalen-Hauptrahmen aus Stahl nebst geschraubten Aludruckguß-Heckrahmen zum Einsatz. Diese Änderung bringt einige Kilo "Erleichterung" und fühlt sich kein Stück weniger stabil an als beim Vorgänger - eher im Gegenteil. Der Telelever und der Paralever wurden ebenfalls überarbeitet, was vor allem vorne zu einer verbindlicheren Verbindung zwischen Motorrad führt. Man spürt einen Tick besser als bei der 1250, was die Straße so macht.
Neu an der R 1300 GS ist der Abstandsradar, der an den Tempomaten gekoppelt ist. Einfach bei Tempo 150 den Tempomaten aktivieren, den Rest macht der "Riding-Assistant". Wenn der Vordermann langsamer wird, werden wir auch langsamer, und wenn er wieder Gas gibt, werden wir automatisch auch wieder schneller. Ergänzt wird das Ganze durch den Totwinkel-Assistent, der durch blinkende Dreiecke in den Spiegeln anzeigt, wenn jemand hinter einem herumscharwenzelt. Wir konnten dieses System ausgiebig in Malaga ausprobieren, und es hat tatsächlich ganz wunderbar funktioniert. Das gemeine daran ist: Wenn man es einmal ausprobiert hat, will man es fortan nicht mehr missen. Das gilt übrigens für 90 Prozent der technischen Helferlein an der neuen GS, die man "eigentlich doch gar nicht braucht". Ja, aber eben nur eigentlich...
Wer es noch nicht wusste: Der Boxer mit dem irren Drehmoment von 149 Nm bei 6.500 Umin geht ab wie Schmidts Katze. Allerdings haben wir keinen nennenswerten Unterschied zwischen der 1300er und der 1250er festgestellt. Macht aber nichts, denn auch die Vorgängerin hatte ja schon Punch ohne Ende.
Dennoch: Eigentlich hatten wir die Erwartung, dass die neue GS aufgrund der Mehrleistung (plus 9 PS und plus 6 Nm Drehmoment!) und vor allem des geringeren Gewichts dem Fahrer noch mehr die Arme langzieht. Das tut sie durchaus auch, aber eben nicht mehr als zuvor. Vermutlich liegt das daran, dass das Getriebe, das jetzt übrigens unter dem Motor verbaut wird, etwas länger übersetzt wurde. Kleiner Wehrmutstropfen: Mir (Dietmar) ist der QuickShifter und das neue Getriebe etwas zu hart, aber mit dieser Meinung stehe ich ziemlich alleine da. Volker und auch sämtlich Tester in Malaga hatten daran offenbar nichts zu bemängeln.
Wunderschön: Gold eloxierte Speichenräder bei der Tramuntana in Serie
BMW gibt auf die neue R 1300 GS drei Jahre Garantie. Der Service ist alle 10.000 km oder einmal jährlich fällig. Das geht genauso in Ordnung wie der unverändert geringe Verbrauch von nur 4,8 Litern auf 100 Kilometern. Wer viel fährt, dürfte sich darüber tatsächlich freuen. Und nun zurück zur Eingangsfrage: Ist die BMW R 1300 GS das beste Motorrad der Welt? Nein, denn natürlich kann es das eine beste Motorrad gar nicht geben! Aber die neue GS ist schon ziemlich nahe dran am Schweizer Messer: Sie kann vieles sehr gut und einiges macht sie sogar überragend. Niemand wird den Kauf dieser Maschine bereuen - insofern ist sie unserer Meinung nach auch jeden Euro Wert. Wir wissen jetzt schon, welches Motorrad das nächste Alpen-Masters gewinnen wird ... jede Wette!
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