Heute schon was vor? Wie wäre es mit einer Probefahrt auf der neuen BMW S1000 XR? Vorher bitte Beruhigungspillen schlucken und danach dringend Übungen zum Senken des Blutdrucks einplanen. Die S1000 XR ist kein normales Motorrad. Es handelt sich um eine Granate. Echt.
Anschnallen, bitte.
Die neue BMW S1000 XR kostet nackt 19.480 Euro. Viel Geld für ein Zweirad, ist aber - das nehmen wir schon mal vorweg - jeden Cent wert. Zumindest für diejenigen, die auf Power und Motorräder mit 4-Zylinder Motoren der samtigen Art stehen. Ole und Dietmar sind eine voll ausgestattete S1000 XR gefahren und haben die krasse Leistung nicht einmal im Ansatz ausfahren können...
Unser Testbike von Bergmann & Söhne in Neumünster sieht in der Farbvariante "Gravityblue metallic" richtig schick aus und kostet nahezu voll ausgestattet 22.345 Euro inkl. Nebenkosten. Die anderen beiden Farben gefallen uns aber auch gut. Die Farbe "Lightwhite uni" gibt es leider nur mit dem M-Paket. Nicht, dass wir was gegen das M-Paket mit Schmiederädern, Akra und jeder Menge Schminke hätten, aber das kostet dann auch gleich mal 3.120 Euro Aufpreis. Aua.
Farben der S 1000 XR Jahrgang 2025.
Abmessungen und Sitzprobe
Die XR hat den Anspruch, auch für Touren und lange Reisen geeignet zu sein. Dies benötigt eine bequeme und möglichst aufrechte Sitzposition. Und genauso sitzt es sich auf diesem Cross-Over Bike: Die Sitzhöhe von 850 mm und die Positionen von Fußrasten und Lenker sind sehr kommod. Gleichzeitig fühlt es sich nicht ganz so Wohnzimmermässig an wie auf einer GS oder gar GSA, sondern etwas aktiver.
Wie schon bei den Vorgängern sitzt man eher in als auf der Maschine, möglich machts eine Sitzmulde, die allerdings bei der neuen XR nicht mehr ganz so tief ist wie zuvor. Der Beifahrer findet ebenfalls ausreichend Platz und kann dank der Erhöhung des Sozius-Sitzes über den Fahrer hinweg schauen. Zwar gibt bei beiden Positionen nicht ganz so viel Platz wie auf einem klassischen Adventure-Bike, aber dennoch genug und eben mit sportlicher Note. Rangieren lässt sich die XR übrigens etwas leichter, denn sie ist eben auch etwas leichter...
So sitzt es sich auf der BMW S 1000 XR.
360 Grad Rundgang um die BMW S1000 XR
Technik
Das Cockpit mit dem 6,5" TFT Farbdisplay kennen wir schon, ebenso die Bedienelemente und die Handy-Connectivity, die bei der neuen XR in Serie dabei ist. Das gilt ebenso für einen USB-Anschluss, Keyless Ride, E-Call, Kurven-ABS, schräglagenabhängige Traktionskontrolle, Fahrmodi, Motorschleppregelung, Berganfahrhilfe und sogar das elektronisch verstellbare Fahrwerk (Dynamisches ESA).
BMW wäre nicht BMW, wenn es trotz dieser beeindruckenden Serien-Ausstattung nicht noch diverse Zubehörteile gäbe! Als da wären : QuickShifter, Heizgriffe, Tempomat, Hauptständer, Windschilder, Reifendruck-Kontrolle, semiaktives Fahrwerk, viele M-Teile sowie natürlich Koffer- und Gepäcksysteme.
Ach ja, das haben wir eben vergessen: Sogar ein adaptives Kurvenlicht ist bei der neuen XR in Serie dabei, von Tagfahrlicht und rundum LED mal ganz abgesehen. So wie wir Sparfüchse "unsere XR" ausstatten würden (mit Tempomat, Heizgriffen, Handprotektoren und QuickShifter), kämen wir auf 20.890 Euro.
Die meisten Kunden sparen sich vermutlich das Gefuchse und nehmen einfach die beiden Pakete (Dynamik- und Tourenpaket) und landen so bei 21.720 Euro und haben dafür auch gleich noch die empfehlenswerte, automatische Fahrwerksanpassung - also das semiaktive Fahrwerk - mit an Bord.
Endschalldämpfer aus Edelstahl. Klingt bissig, launisch, heiser, geil.
So fährt sie sich und so klingt sie
Kennt Ihr den Film "Der Pate"? Dann erinnert Ihr Euch bestimmt noch an den sehr heiseren Ausspruch "Eine Hand wäscht die andere." Genauso heiser klingt der Serientopf der XR, der zudem noch aus gebürstetem Edelstahl gefertigt richtig schick aussieht. Und wenn man Gas gibt, dann wird man regelrecht angefaucht - so soll es sein.
Auch während der Fahrt ist die Soundkulisse berauschend. Leider führt das (und die Leistung des Motors) dazu, dass man eigentlich ständig mindestens doppelt so schnell unterwegs ist wie erlaubt. Die XR erfordert tatsächlich schon einen disziplinierten Fahrer, sonst geht es ganz schnell wahlweise in die Rabatten oder in den Knast - oder beides.
Alles klar, dann machen wir uns mal vom Acker. Schon auf den ersten Zentimetern merkt man, wie fein diese Maschine austariert ist. Das grenzt schon fast an Perfektion. Die Maschine ist weder kopflastig noch spürt man einen zu hohen Schwerpunkt noch sonstwas und das führt dazu, dass das Bike Kurven quasi im Alleingang nimmt. Auch Wenden ist mit dieser Maschine supereinfach, sie kippt einfach nicht nach Innen.
4-Zylinder Reihenmotor mit 999 ccm und 170 PS. Da können alle anderen Cross-Overs einpacken.
Und dann dieser Motor! Das fühlt sich an wie ein 6-Zylinder im einem 3er BMW. Samtig, sämig, seidenweich sind die Attribute, die mir dazu spontan einfallen. Es gibt überhaupt keine Lastwechsel-Reaktionen oder Konstantfahr-Ruckeleien noch sonst irgendwelche Fisimatenten. Man könnte wahrscheinlich auch einfach im 6. Gang anfahren und die XR würde sich nicht einmal beschweren. Das macht man natürlich nicht, was aber schon mal vorkommt, ist die Ortsdurchfahrt im 5. oder 6. Gang bei Tempo 30 bis 50 km/h - und auch das ist mit der XR eine echte Wohltat.
Oft wird der XR angekreidet, dass sie bei niedrigen Drehzahlen nicht wirklich viel Kraft entwickelt. Ich vermute, dass sich die Autoren solcher Zeilen aus Mangel an sonstigen kritischen Aspekten zu solchen Aussagen hinreißen lassen. Vielleicht will man damit auch nur deutlich machen, dass der Motor sich in höheren Drehzahlen noch wohler fühlt. Das stimmt auch, aber Mangel an Leistung (auch untenrum) gibt es hier wirklich nicht. Punkt.
Brembo-Bremsen: Radial montierte 4-Kolben-Festsättel aus 320 mm Doppelscheiben. Bremst wie Hölle.
Es ist halt ein 4-Zylinder und somit auch kein klassischer Drehmoment-Motor, aber dennoch haben zumindest wir auch bei niedrigeren Drehzahlen nichts vermisst. Und was dann so ab 5.000 Umin passiert, ist kaum zu beschreiben. Ich sach ma so: Ein Glück, dass das Bike eine Wheelie-Control hat !!! Damit ist eigentlich alles gesagt. Das Ding zieht einem so derartig die Arme lang, dass man innerhalb kürzester Zeit einen reichlich trockenen Mund bekommt - Wahnsinn.
Genauso wahnsinnig wie die positive Beschleunigung auf der XR gestaltet sich die negative Beschleunigung. Die Brembos packen bissig und kraftvoll zu, uns ist nicht nur einmal das Hinterrad hochgegangen! Ole während seinen Probefahrten hat auch Bekanntschaft mit der schräglagenabhängigen Traktionskontrolle sowie dem Kurven-ABS gemacht, was vermutlich an den komplett neuen Reifen lag. Hätte er diese Helferlein nicht gehabt, hätte das auch anders ausgehen können. Aber auch das ist typisch für die XR: Sie ist ein Technik-Monster und hat diese Features nicht nur "einfach auch dabei", sondern sie funktionieren auch wirklich! Eine solche Maschine ohne technische Fahrhilfen wäre allerdings auch gemeingefährlich, vor allem bei Regen & Co.
Unser mehr oder weniger voll ausgestattetes Testbike hatte auch das semiaktive Fahrwerk, welches - wen wunderts - ebenfalls perfekt funktioniert. Innerhalb von Millisekunden wird die Dämpfung an Fahrbahn und Tempo angepasst, das ist schon sehr beeindruckend. Wer will, kann Dämpfung und Federvorspannung auch anpassen, natürlich elektronisch, aber wir würden jedem die automatische Einstellung empfehlen.
Schöne Zweiarmschwinge aus Aluminium.
Abschließend noch ein Blick auf die Wettbewerber: Suzuki GSX-S 1000 GX, Kawasaki Versys 1100 SE, Yamaha Tracer 9 GT+, Ducati Multistrada V2S und Triumph Tiger Sport 800 fallen uns hier als erste ein. Zugegeben: Die BMW ist in der Grundausstattung die teuerste, das relativiert sich aber ganz schnell, wenn man sämtliche Serien-Features der XR bei den anderen Bikes hinzu bucht.
Eine Ausnahme bildet die neue Triumph Tiger Sport 800, diese ist deutlich günstiger, kann aber zumindest bei der Leistung der BMW nicht das Wasser reichen. Dazu kommt, dass die XR aus unserer Sicht ein nahezu perfektes Motorrad ohne echte Schwächen ist. Es gibt drei Jahre Garantie auf die XR, der Service ist alle 10.000 Kilometer oder einmal pro Jahr fällig.
Fazit
Die BMW S 1000 XR war schon immer ein beeindruckendes Bike - und ist nun noch besser geworden. Fast scheint es, als ob BMW hier einmal zeigen wollte, was man in München so alles draufhat. Allerdings sollten sich potentielle Käufer tatsächlich die Frage stellen, ob sie mit der schieren Leistung der XR wirklich gut umgehen können! Wer tendenziell auf Motorrädern über seinen Fähigkeiten unterwegs ist, sollte die Hände weg lassen von diesem Monster. Alle anderen: PROBEFAHREN!
Die Maschine wurde uns zur Verfügung gestellt von Bergmann & Söhne in Neumünster. Wer mal richtig was erleben will, fährt dorthin und traut sich zu einer Probefahrt. Die wird jeder Probefahrer garantiert nicht vergessen.