Fotos: Motorradtest.de Triumph greift mit der neuen Tiger 1200 nach der Krone der Groß-Enduros. Ganz ungeniert und ohne Umschweife spricht Triumph vom Angriff auf die GS. Und in der Tat gibt es zwischen dem Bestseller aus München und der neuen Tigerin viele Ähnlichkeiten. Markus und Dietmar fühlen der Tiger 1200 GT Pro auf den Zahn.
Schöner Tiger mit Triple
Da steht sie, schön drapiert, vor dem Flagshipstore von
Q-Bike Triumph in Hamburg: Die neue Tiger 1200 in Weiß. Es gibt drei straßenorientierte GTs und zwei geländeorientierte Rally-Versionen mit 21" Vorderrad. Als Explorer-Version hat die Tiger 1200 einen 30-Liter Tank. Unser Testbike GT Pro hat einen 20 Liter Tank und wird von Triumph als "
Adventure-Modell mit Tourentauglichkeit und Komfort zum Durchqueren ganzer Kontinente" angepriesen. Die GT Pro gibt es auch noch in Blau und in Schwarz. Dietmar findet diese Farbauswahl etwas langweilig, aber in schwarz sieht sie schon ganz scharf aus - findet Markus.
Von der Seite könnte man die Triumph tatsächlich glatt mit einer GS verwechseln. Ob das so gewollt ist? Schnabel vorne, verschraubter Heckrahmen aus Alu, seitlich angebrachte Hinterradabdeckung und vor allem die Verkleidung vorne - das kann kein Zufall sein. Uns soll es recht sein, wir mögen beide Maschinen leiden.
Noch frappierender werden die Ähnlichkeiten beim Aufsitzen. Die Sitzhöhe ist variabel auf 850 oder 870 mm einstellbar. Über Platz ohne Ende freut sich vor allem der Beifahrer. Es gibt vernünftige Haltegriffe und natürlich auch beheizte Sitzmöbel im Zubehör für Set für 429 Euro. Man sitzt superbequem, aufrecht und hat sofort das Gefühl, so ganze Kontinente durchfahren zu können.
Extrem entspanntes Vorankommen auf der Tiger 1200 garantiert Triumph für Fahrer und Beifahrer.
360 Grad Rundgang um die Triumph Tiger 1200 GT Pro
Technik der Tiger 1200 GT Pro
Gegenüber der GT für 17.750 Euro hat die GT Pro für 19.950 Euro in Serie ein paar Gimmicks mehr an Bord: Heizgriffe, Tempomat, Berganfahrhilfe, Zusatz-Scheinwerfer, Hauptständer und einen sehr guten QuickShifter. Der Händler verriet uns, dass kaum jemand eine GT kauft und alle die GT Pro haben wollen.
Auch die technischen Spielerein und Assistenzsysteme treiben einem die Tränen in die Augen: 7" TFT-Farbdisplay mit Navianbindung via Handy, 6-Achsen IMU mit Kurven-ABS und mehrfacher Traktionskontrolle, Keyless Go, GoPro-Steuerung und natürlich viele Fahrmodi, die man seinen eigenen Bedürfnissen anpassen kann - nebst Rider-Modus, den man komplett für sich vorkonfiguriert.
Das alles passiert mit dem schon von anderen Triumph-Bikes bekannten 5-fach Joystick sowie einigen Direktwahl-Tasten, z.B. für die Fahrmodi, die Heizgriffe, den Nebelleuchten und der Umschaltung zwischen LED-Tagfahrlicht und Abblendlicht. Apropos Licht: Voll-LED ist selbstsingend vorhanden und Kurvenlicht ist bei der GT Pro auch in Serie dabei. Und vor allem von vorne finden wir das Lichtmasken-Design deutlich frischer als bei der Vorgängerin.
Die Maschine ist also vollgestopft mit Technik, aber dennoch lässt sie sich einfach bedienen. Sehr hilfreich ist auch die Tatsache, dass man sich aussuchen kann, welche Infos zusätzlich zu den Standard-Anzeigen während der Fahrt angezeigt werden, z.B. die Verbrauchsinfos. Alle 1200er Tiger besitzen zudem ein semiaktives, elektronisch verstellbares Fahrwerk von Showa. Den Beladungszustand erkennt das Bike selbstständig und verstellt entsprechend die Federbasis und die Dämpfung automatisch. Die Zug- und Druckstufe vorne und hinten kann der Fahrer in vielen Stufen von Komfort (weich) bis Sport (hart) einstellen.
So fährt sie sich
Dann drehen wir bei bestem Wetter mal ein paar Runden in und um Hamburg und auf der Autobahn. Das Windschild ist mit einer Hand und auch während der Fahrt verstellbar und bietet einen guten Windschutz. Durch die Verkleidung und zusätzliche Flaps bietet die Tiger insgesamt auch einen guten Wetterschutz. Die Maschine wiegt fahrfertig 245 kg, fühlt sich aber leichter an. Gegenüber dem Vorgängermodell hat Triumph ausstattungsbereinigt satte 25 kg eingespart. Das tut dem Bike spürbar gut, sie lässt sich leicht dirigieren und macht für eine Groß-Enduro einen fast schon spielerischen Eindruck.
Einen richtig guten Job macht die Bremsanlage. Man benötigt kaum Handkraft, um die Brembos bissig zubeissen zu lassen. Die Radial-Pumpe von Magura scheint hier im Zusammenspiel mit dem M4.30 Monoblock perfekt zu harmonieren. Anfangs bremst man ob dieser Bremsleitung dann auch etwas zu stark, aber nach kurzer Eingewöhnung passt es dann auch mit der Dosierung. 1 mit Sternchen für die Bremsen der Tiger! Auch alles andere funktioniert an diesem Bike einfach nur prächtig, allen voran der fluffige QuickShifter mit Blipperfunktion. Die Metzeler Tourance Next sind für die Straße ebenfalls eine gute Wahl.
Also keine Kritik an der Tiger 1200? Doch natürlich, irgendetwas finden wir ja immer. In diesem Falle sind es kleinere Lastwechselreaktionen, die der Triple im Zusammenspiel mit dem Kardan erzeugt. Sowohl beim Gasgeben als auch beim Gaswegnehmen gibt es kleine Ruckeleien. Das hängt aber auch vom Fahrmodus ab und so richtig dolle gestört hat es uns nicht. Zweite Kritik: Man kann zwar eine Pfeilnavigation aufs Cockpit legen, eine richtige Kartendarstellung ist aber leider nicht möglich - schade.
So, dann kommen wir nun endlich zum Herzstück der Tiger, dem Motor. Der Sound ist perfekt: Leise während der Fahrt und beim Angasen deutlich vernehmbar und dann röhrend wie ein Hirsch in der Brunftzeit. Im Schein stehen trotzdem nur 92 dB - sehr gut. Der Motor geht brachial nach vorne, es gibt stets Leistungsreserven in Hülle und Fülle. Daran haben wir uns bei Großenduros zwar schon gewöhnt, aber trotzdem ist es immer wieder ein Erlebnis, den großen Triumph-Triple auf Trapp zu bringen. Im Gegensatz zur Speed Triple 1200 RS ist die Tiger ein wenig gnädiger mit dem Fahrer, aber trotzdem: Wenn man will, geht es zur Sache - aber so richtig! Kein Wunder bei 150 PS und 130 Nm Drehmoment.
Im Vergleich zur GS kommt die Leistung zwar einen Tick später, dann aber noch vehementer. Die Tiger ist mit 5,7 Liter auf 100 km/h allerdings auch wenig durstiger, dementsprechend ist die Reichweite mit 350 km auch 50 km geringer. Der Vergleich zwischen der Tiger und der GS lässt sich unserer Meinung nach auf den Motor reduzieren. Boxer vs. Triple - wer macht hier das Rennen? Ist die Tiger insgesamt das bessere Motorrad? Nein. Ist die GS besser? Nein. Im Ernst, unsere interne Abstimmung lautet 1:1, es sind einfach beides supergeile Maschinen. Man merkt wie gesagt deutlich, dass Triumph ganz ungeniert bei der GS abgekupfert hat - und auf dem Datenblatt dann oft ein bisschen besser dasteht als die BMW. Aber in der Praxis sind diese Unterschiede kaum zu spüren, was nichts anderes ein dickes, fettes Lob für Hinckley ist!
Triumph gibt auf die Tiger 1200 vier Jahre Garantie ohne Kilometer-Begrenzung, das Service-Intervall liegt bei 16.000 km. Vergleichen wir noch kurz die Preise von GS und Tiger: Konfiguriert man sich die BMW so, dass beide Bikes in etwa gleich gut ausgestattet sind, so landet man bei ca. 21.500 €. Da hat die Tiger also einen kleinen Preisvorteil, wobei solche Vergleiche natürlich immer etwas hinken. Wer längere Touren im Blick hat, wird sich bei Triumph wohl noch das Koffersystem mit Top-Case und Montage-Zubehör für knapp 2.000 Euro dazu ordern. So richtig billig sind halt beide Probanden nicht!
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