Harley Davidson Street Glide Ultra im Test

Neuer Full-Dresser aus Milwaukee mit 175 Nm Drehmoment und 393 kg Kampfgewicht

Harley Davidson Street Glide Ultra im Test Fotos: Motorradtest.de
 
Mit der Street Glide Ultra stellt Harley Davidson einen neuen Tourer im XXL-Format auf die Straße. Der Full-Dresser kostet schlappe 33.920 Euro und massiert dem Fahrer mit dem neuen 2 Liter V2 wunderbar die Seele. Ole und Dietmar haben sich einen Vorführer von HD-Kiel geschnappt und sind einen Tag lang in Kiel um die Seen gecruist.

Warum bin ich plötzlich so ruhig?

Die neue Street Glide Ultra ist im Grunde genommen einen "normale" Street Glide mit verbesserter Ausstattung. Normalerweise sind damit technische Dinge gemeint, bei der Ultra sind es aber eher Anbauteile bzw. Dinge, die das Fahren bzw. Reisen noch chilliger machen. So hat die Ultra beispielsweise ein ultra großes Top-Case mit Beifahrer-Rückenlehne im Sofa-Style, separate Beinbelüftungsklappen, eine 10 cm höhere Scheibe, Luftleitbleche vorne, neue und ultra bequeme Sitzmöbel für Fahrer und Beifahrer. Insgesamt bietet die Ultra knapp 140 Liter Stauraum - und damit fast doppelt so viel wie die normale Street Glide.
 
Diese Dinge sollen dazu führen, dass die Tour - gerne auch eine längere - noch angenehmer wird. Und genau das ist auch der Fall: Wir sind vormittags noch ohne zu filmen einfach in der Nähe von Kiel um diverse Seen getuckert und haben gar nicht gemerkt, wie die Zeit vergeht. Dies ist dann auch das Wesen und die Seele der Street Glide Ultra: Kein Streß, runterkommen, entspannen und eine Motorrad-Tour genießen - einfach herrlich!
 
Verfügbare Farben der Stree Glide Ultra
Verfügbare Farben der Stree Glide Ultra. Blau ist irgendwie cool...
 
 
Abmessungen und Sitzprobe
Wie schon angedeutet sitzt man auf der Ultra sehr bequem. Allerdings will das aufsitzen zu Zweit gelernt sein! Wir haben es natürlich falsch gemacht und Ole hat sich beim Aufsteigen (oder sollen wir besser "einsteigen" sagen?) fast einen Krampf geholt. Egal, wenn man denn sitzt, sitzt man wie auf Wolke sieben. Vor allem hinten, dank der im Top-Case integrierten Arm- und Rückenlehne ist es sogar muckeliger als auf dem heimischen Sofa.
 
Aber auch der Fahrer sitzt auf der weich gepolsterten Sitzbank herrlich entspannt. Der Lenker ist hoch und zum Fahrer geneigt, statt auf Fußrasten legt man seine Füße auf Trittbrettern ab und schläft vor lauter Wonne fast im Stehen ein. Das wäre allerdings keine gute Idee, denn die Fuhre wiegt knapp 400 Kilogramm. Das Rangieren ist somit ein echtes Desaster und will stets gut überlegt sein. Es gibt keinen Rückwärtsgang, das Parken an abschüssigen oder ansteigenden Untergrund kommt also einer Katastrophe gleich. Naja, wollen wir mal nicht übertreiben, aber es ist tatsächlich schon etwas anderes, dieses Gerät abzustellen als bei einem "normalen" Motorrad. Zum Glück hat die Street Glide Ultra aber zumindest eine Berganfahrhilfe - zum Glück: Wer schon mal in den Alpen mit einem solchen Brummer an einem Pass Richtung "nach oben" anhalten und wieder anfahren musste, der weiß, wovon wir reden!
 
Die Sitzhöhe ist mit 725 mm wie immer bei Harley Tourern oder Cruisern sehr gefällig. Jeder bekommt hier seine Füße auf den Boden, das ist allerdings auch bitter nötig, ansonsten würde das Ding gerne mal umkippen. Das widerum wäre so schlimm nun auch wieder nicht, denn es gibt Sturzbügel am Motor und an den Koffern, zerkratzt würde also nichts werden. Der Blick nach hinten ist durch die in der Verkleidung sehr weit außen montierten Spiegel ein Gedicht - man sieht hinten wirklich alles.
 
Sitzprobe
Sitzt es sich auf der Harley Stree Glide Ultra.
 
 
 

360 Grad Rundgang um die Stree Glide Ultra

Cockpit Beleuchtung vorne Beleuchtung hinten

Das soll sie können

Beim Blick ins Cockpit fällt sofort das riesige 12,3" Display ins Auge. Man kann zwischen drei Ansichten wählen und entweder auf weiße oder schwarze Ansicht einstellen. Besonders cool ist die integrierte Vollkarten-Navigation, die auch ohne Online-Verbindung zum Smartphone perfekt funktioniert. Ein Handy-Kopplung via Bluetooth ist natürlich auch möglich und sodann lassen sich Musik und Anrufe mit extra Bedientasten rechts steuern. Auch an eine Sprachsteuerung hat Harley gedacht, diese haben wir allerdings nicht ausprobiert.

Auch technisch ist hier Vollkost angesagt: Es gibt Schräglagensensorik, Tempomat, 3+1 Fahrmodi, Berganfahrhilfe, Motorschleppregelung, Kurven-ABS, mehrstufige Traktionskontrolle und sogar eine 50 Watt Stereo-Anlage mit integrierte Lautsprechern, aus denen auch ordentlich was rauskommt.

Wichtig bei all der Technik: Die Bedienung flutscht ohne großartiges Studium der Betriebsanleitung. Das Display ist übrigens auch per Touch steuerbar oder klassisch über diverse Menütasten links. Besser gehts kaum und das Ganze erinnert dann doch schon stark an ein modernes Auto. Sogar Apple CarPlay funktioniert per Kabel, Android Auto aber leider nicht. Das Handy kann samt Portemonnaie praktischerweise in eine unterhalb des Cockpits vorhandene Schublade gelegt und dort per USB-Kabel auch geladen werden - sehr gut!

Auch bei der Lichtausstattung gibt sich die Street Glide Ultra keine Blöße. Voll-LED inkl. Tagfahrlicht, automatische Blinker-Rückstellung und sogar eine Coming-Home Ausschaltfunktion ist an Bord. Besonders schick finden wir die in die Batwing-Verkleidung integrierten Blinker. Eine Lauflicht-Funktion hätte hier noch ein Sahnehäubchen draufsetzen können, die haben die Harley-Leute aber leider vergessen.

Motor 

 

So fährt sie sich


Vor der Abfahrt machen wir wie immer einen kurzen Soundcheck. Der 117 Cubic-Inch V2 klingt, wie man das erwartet. Es pöttert amtlich vor sich hin, bassig und souverän, dabei aber zum Glück nicht zu laut. Außer man gibt Gas, dann röhrt der Hirsch, aber das will man ja manchmal auch genauso haben. Soundcheck rechts oben.
 
So, dann ab auf die Piste. Die Street Glide Ultra ist schwer und das spürt man nicht nur im Stand. Souverän setzt sich der D-Zug in Bewegung und man hat den Eindruck, dass ihn heute auch nichts mehr aufhalten können wird. Das heißt aber nicht, dass sich die Maschine besonders schwerfällig gibt - im Gegenteil: Die Street Glide Ultra schwingt elegant zwischen den Kurven und geht gar nicht mal unwillig ums Eck.
 
Trotzdem: Ein Kurvenräuber will die Harley nicht sein und das Gewicht ist natürlich stets präsent. Unebenheiten der Straße kommen schon beim Fahrer an, aber fiese Stöße in den Rücken gibt es nur selten.  Zudem bügelt das Gewicht die meisten Dinge einfach so weg, das fühlt sich schon mächtig an. Den Rest federt das wie schon gesagt erstaulich komfortable Sitzpolster weg. Dass das Fahrwerk bis auf die Federvorspannung hinten nicht einstellbar ist, kratzt uns wenig.
 
Cockpit wie im Auto Cockpit wie im Auto. Nur größer und mit mehr Anzeigen und mehr Optionen.
 
 
Das Getriebe ist ebenfalls typisch Harley Davidson. Der erste Gang wird hier allerdings ohne das sonst übliche "Kalong!" eingelegt, man hört fast nix! Die Schaltwege sind wie gewohnt bei Harley recht lang, jeder Schaltvorgang ist eine eigene Show. Früher haben wir dazu "schwerer Landmaschinenbau" gesagt und es ist gut, dass auch moderne Harleys diese Folklore noch nicht ganz abgelegt haben. Dazu zählen wir übrigens auch die Blinker mit Schaltern links und rechts - herrlich.
 
Und nun noch ein Satz zum Motor. Dieser drückt fette 175 Nm auf die Kurbelwelle und leistet 109 PS. Das sind selbst für Harley Davidson fantastische Werte und natürlich werden diese bei bemerkenswert niedrigen Drehzahlen erreicht. In der Praxis bedeutet dies: Schub und Druck ohne Ende. Zwar kann der Motor auf Wunsch bedenkenlos bis knapp über 5.000 Umin gedreht werden, aber wer will das schon?!
 
Bei so viel Drehmoment schaltet man dann doch lieber schon bei 3.000 Umdrehungen und kriegt das Grinsen auch viele Stunden später kaum noch aus dem Gesicht heraus. Es ist wirklich so: Wer im Sport-Modus Gas gibt, bekommt mächtigen Vortrieb, der sich so fett anfühlt, als wenn man bei einem Flugzeug auf der Startbahn bei vollem Schub plötzlich die Bremse löst. Wer es etwas weicher möchte, schaltet in den Road-Modus und schon ist die Gasannahme lammfromm.
 
Zum Bremsen bitte hier drauftreten. Zum Bremsen bitte hier drauftreten.

Bremsen vorne
Oder das hier in Gang bringen.
 
 
Erstaunlich gut für diese Gewichtsklasse funktionieren die Bremsen, vor allem die am Hinterrad. Hier werkelt ein 4-Kolbenfestsattel an einer 300er Scheibe und da viel Gewicht anliegt, packt die Bremse ordentlich zu. Vorne wird ein wenig Handkraft benötigt, aber auch hier ist die Bremswirkung in Ordnung. Die Kupplung ist übrigens etwas schwergängig, aber das ist bei diesem Ungetüm von einem Motor irgendwie auch okay. Auf Dauer, z.B. in der Stadt, könnten das aber etwas nerven.
 
Details
Schöne Details hüben wie drüben.
 
Die Garantie für die Harley Davidson Street Glide Ultra liegt bei 2 Jahren. Der Service ist alle 8.000 Kilometer oder einmal pro Jahr fällig. Wettbewerber gibt es nicht sonderlich viele. Natürlich die die "normale" Street Glide ein Kandidat, diese ist allerdings nur unwesentlich günstiger - da würden wir auf jeden Fall die paar Euro draufpacken und die Ultra nehmen. Ansonsten fallen uns noch folgende Geräte ein: Triumph Rocket 3 GT, Honda Gold Wing, Indian Challenger bzw. Pursuit und die BMW R18 Transcontinental.
 
 

Fazit - was bleibt hängen

Die neue Street Glide Ultra ist kein Motorrad für Jedermann. Man muss sich schon auf diesen Full-Dresser mit seinem Gewicht einlassen - dann aber hat man jede Menge Spaß und ein nahezu unvergleichlich gelassenes Fahrerlebnis. Der V2 drückt ohne Ende, obwohl man das mit der Ultra nur selten in Anspruch nehmen wird. Hier ist eher cruisiges Vorangleiten angesagt. Der Name der Maschine ist also Programm: Ultracooles Straßengleiten!
 
Die Testmaschine wurde uns netterweise von Harley Davidson Kiel zur Verfügung gestellt. Dort warten die Street Glide und viele andere Harley Vorführer auf Probefahrer. Harley Kiel liegt verkehrsgünstig an der Autobahn und man kann vom Händler mehr oder weniger sofort auf Landstraßen das Bike seiner Wahl ausführen. Vielleicht ja demnächst eine Street Glide Ultra - oder eine Road Glide?

Preis/Verfügbarkeit/Farben/Baujahre

  • Preis: 33.920€
  • Verfügbarkeit: Ultra seit 2025
  • Farben: grau, schwarz, blau, rot-schwarz
Pro & Kontra
Pro:
  • Verstaumöglichkeiten ohne Ende
  • souveräner Auftritt, sowohl optisch als auch sonst
  • Puh, was für ein Motor! Abteilung Dampfhammer.
  • sehr passender V2 Blubber-Sound
  • Starkes Riesendisplay mit Vollkartennavi OHNE Handykopplung
  • Bequemer sitzt man nirgendwo - auch nicht zu Hause
Kontra:
  • sehr schwer, rangieren ist schweißtreibend
  • nix für Schwächlinge oder Anfänger
  • Sitzheizung fehlt irgendwie noch
  • Kupplung erfordert Kraft
  • Scheibe ist bei einigen Fahrern im Blickfeld
  • Apple Car-Play ja, Android-Auto leider nein (warum?!)
05.2025: Harley Davidson Street Glide Ultra
Verkaufszahlen (Deutschland)
Gesamt: 4.733 Mid: 37668
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